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Deutscher RichterbundWeisungsrecht der Justizministerien ist Einfallstor politischer Einflussnahme

13. Mai 2025, 10:05 Uhr

Staatsanwälte sind in Deutschland anders als Richter den Justizministern gegenüber weisungsgebunden – sie stehen also unter politischem Einfluss. So kann ein Justizminister darauf einwirken, ob Ermittlungen weiterverfolgt werden. Spätestens mit dem Erstarken der AfD ist eine Diskussion darum neu entbrannt. Im Hintergrund steht die Frage: Was wäre, wenn es einen AfD-Justizminister gäbe? Der Deutsche Richterbund fordert deshalb, das Weisungsrecht abzuschaffen.

Staatsanwälte sind in Deutschland Justizministern gegenüber weisungsgebunden und stehen also unter politischem Einfluss. Um diese Situation gibt es eine Debatte. Im Mittelpunkt der Diskussion steht das sogenannte Gerichts-Verfassungs-Gesetz. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1879. In Paragraf 146 heißt es dort: "Staatsanwälte haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen." Praktisch bedeutet das: Die Justizministerien von Bund und Ländern haben gegenüber Staatsanwälten Weisungsrecht.

Sächsische Justizministerin Geiert verteidigt Weisungsrecht

Die sächsische Justizministerin Constanze Geiert sieht die Forderung des Deutschen Richterbundes, diesen Paragrafen abzuschaffen, skeptisch: "[...] weil wir sagen: Das Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwälten ist notwendig und ist auch Teil des Gesamtstaatsaufbaus bei uns in Deutschland, denn die Staatsanwälte sind Teil der Exekutive und als Teil der Exekutive brauchen die quasi immer die demokratische Legitimation durch den Landtag und da eben über die Staatsregierung hin zu den Staatsanwälten."

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) folgt dieser Argumentation nur in Teilen. Er sehe Diskussionsbedarf zum Gerichtsverfassungsgesetz, sagt der stellvertretende DAV-Hauptgeschäftsführer, Swen Walentowski: "Nachdem wir ja in den Ländern und in anderen Bereichen sehen, dass die AfD ja nicht mehr nur Verdachtsfall ist, sondern als gesichert rechtsextremistisch gilt, müssen wir prüfen, ob das heutzutage noch diesen Anforderungen gerecht wird." Man müsse da nicht in Panik verfallen, sondern sich Zeit nehmen. "Wir wissen allerdings, dass die Justiz in ihrer Gesamtheit ähnlich wie die öffentliche Verwaltung, nicht resilient genug ist, das heißt nicht widerstandsfähig gegenüber Rechtsextremismus ist", so Walentowski.

EU: Weisungsrecht als Einfallstor für politischen Einfluss auf deutsche Staatsanwaltschaften

So wie der Deutsche Richterbund hält auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Weisungsrecht der deutschen Justizministerien für ein Einfallstor für politische Einflussnahme. Deutsche Staatsanwaltschaften gelten deshalb auf EU-Ebene als nicht unabhängig. Sie dürfen darum nach einem Urteil des EuGH auch keine europäischen Haftbefehle ausstellen.

Die sächsische Justizministerin Constanze Geiert sieht trotzdem keinen Grund, das Weisungsrecht abzuschaffen. Denn: "Das hat Deutschland insofern gelöst, dass diese Haftbefehle jetzt nicht mehr durch die Staatsanwaltschaften ausgestellt werden, sondern immer ein Amtsgericht im Vorhinein eingeschaltet werden muss." Das Ganze beziehe sich auch nur auf die europäischen Haftbefehle und nicht auf internes deutsches Recht. "Da hat Deutschland eine europarechtskonforme Lösung gefunden, indem für diese Ausstellung europäischer Haftbefehle Gerichte miteinbezogen werden."

Kluth: Weisungsfreiheit in Verfassung aufnehmen

Warum Deutschland am Weisungsrecht der Justizministerien festhält? Winfried Kluth, Professor für öffentliches Recht an der Universität Halle, sieht dafür vor allem einen Grund: "Man kann es sich nur damit erklären, dass es ein Machtfaktor ist, dass man von Seiten der Justizminister darauf nicht verzichten möchte, hier Einfluss zu nehmen. Und gegenüber unabhängigen Staatsgewalten hat man natürlich auch einen gewissen Respekt, weil die Staatsanwaltschaften ja auch die Aufgabe haben, im Bereich der Sicherheitsbehörden und auch in anderen Bereichen kontrollierend tätig werden."

Rechtswissenschaftler Kluth fordert schon seit langem, die Weisungsfreiheit in die Verfassung aufzunehmen, so wie das etwa in Österreich der Fall ist. Dies würde auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Arbeit der Staatsanwaltschaft stärken.

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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 13. Mai 2025 | 06:09 Uhr

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