Datenauswertung Eisheilige: Was ist dran an der Bauernregel – und wann gibt es den letzten Frost?

07. Mai 2025, 15:54 Uhr

Viele Landwirte und Gärtner warten immer noch die Eisheiligen ab, bis sie frostempfindliche Gewächse im Freien auspflanzen. Aber ist die alte Bauernregel mit den Eisheiligen nicht längst überholt? Unsere Datenauswertung zeigt. Man sollte sogar noch etwas länger warten, wenn man möglichst sichergehen will.

Mann mit Brille und Kopfhörern vor einem Mikrofon
Bildrechte: Robert Rönsch

"Pflanze nie vor der kalten Sophie" ist einer dieser mit den Eisheiligen verbundenen Merksprüche. Nun muss man dazusagen, dass die Bauernregel spätestens im 15. Jahrhundert etabliert wurde. Damals und noch lange danach befand sich Europa noch längst nicht in Zeiten globaler Erwärmung, im Gegenteil: Es waren die Jahrhunderte der sogenannten Kleinen Eiszeit. Die Winter waren deutlich länger und kälter, und durch Frost im Mai drohten gehörige Ernteausfälle.

Das ist heute nur noch teilweise so, zum Beispiel bei Obstbauern. Und natürlich bei Kleingärtnern, wo die Eisheiligen immer noch ein wichtiger Termin sind, was frostempfindliche Pflanzen angeht. Aber wann kommt er denn nun für gewöhnlich, der letzte Frost? Sind die Eisheiligen (11. bis 15. Mai) da wirklich eine gute Orientierung? Oder hat der Klimawandel längst für neue Verhältnisse gesorgt? Spoiler: Das Ergebnis dürfte zum Teil überraschen.

Eisheilige: Was Langfrist-Wetterdaten aus Mitteldeutschland sagen

Um der Sache mit den Eisheiligen für Mitteldeutschland auf den Grund zu gehen, haben wir Wetterdaten untersucht. Der sinnvollste vom DWD ausgewertete Messwert ist dabei die Tiefsttemperatur fünf Zentimeter über dem Boden, denn es soll ja um mögliche Frostschäden an Pflanzen gehen. In die Untersuchung einbezogen haben wir alle mitteldeutschen DWD-Messstationen mit langjährigen Messreihen bei diesem Temperaturwert. Zwölf Stationen, die auf über 500 Metern Höhe liegen, haben wir allerdings ausgeschlossen, weil es im Mittelgebirge üblicherweise noch deutlich später im Jahr Temperaturen unter dem Gefrierpunkt gibt.

Übrig blieben so 46 Messstationen. Die erste hat bereits Daten im Jahr 1882 geliefert, 1954 waren dann sogar schon 40 der 46 Stationen aktiv – genügend Stoff also für eine aussagekräftige Langfrist-Auswertung.

Um einer möglichen Veränderung der Sachlage wegen des Klimawandels Rechnung zu tragen und um überhaupt verschiedene (jüngere) historische Zeiträume miteinander vergleichen zu können, haben wir den gesamten vorhandenen Datensatz in drei nahezu gleich große Teile geteilt. Im ersten Teil sind die Daten von 1882 bis 1970. Etwa genauso viele Daten gibt es für die Zeit von 1971 bis 1998. Und wiederum so viele von 1999 bis 2024. (2025 läuft noch, ist in der Auswertung deshalb nicht enthalten.)

Zuerst interessierte uns der durchschnittliche Verlauf der Tiefsttemperaturen über den Monat Mai hinweg. Gibt es da spürbare wiederkehrende Einbrüche an bestimmten Tagen im Monat? Man könnte sagen: ja und nein. Ja, es gibt Einbrüche, aber nein, nicht immer an den selben Tagen.

Bis 1970 gab es den durchschnittlich größten Einbruch vom 18. bis 21. Mai. 1971 bis 1998 sind die Temperaturstürze dann etwas kleiner und stärker verteilt. Aber seit 1999 passte der durchschnittliche Tiefsttemperatur-Einbruch dann tatsächlich perfekt zu den Eisheiligen. Vom 11. bis 15. Mai sank die Tiefsttemperatur in Bodennähe tatsächlich um zwei Grad, was bei so einer Durchschnittsberechnung über 25 Jahre hinweg sehr viel ist. In der folgenden Grafik können Sie sich alle Kurven einzeln oder gemeinsam anzeigen lassen.

Aus meteorologischer Sicht ist dieses Hin und Her mit den Temperaturen im Mai absolut nachvollziehbar. Bei den Eisheiligen handelt es sich um eine sogenannte Singularität, also ein häufig wiederkehrendes Witterungsphänomen zum ungefähr gleichen Termin im Jahr – mit Betonung auf ungefähr. Anfang Mai können die Temperaturen in Mitteleuropa bereits recht hoch sein (wie auch wieder in diesem Jahr), doch irgendwann um Mitte Mai herum kommt es nicht selten zu einem markanten Kaltlufteinbruch aus polaren Breiten. Bei bestimmten Nord- bis Nordwest-Wetterlagen strömt arktische Kaltluft nach Mitteleuropa, und wenn es dann nachts unter Hochdruckeinfluss einen klaren Himmel gibt, kühlt die Luft sehr stark ab.

Aber man will ja vor allem wissen, ob Frost kommt

Solche Temperaturstürze sind den Pflanzen allerdings ziemlich egal, solange es nicht bis unter null Grad geht. Aussagekräftiger als die obige Temperaturkurve ist deshalb eine Untersuchung, wann es im Frühjahr typischerweise den letzten Frost gibt. Weil dieser letzte Frost des Jahres natürlich auch schon im April oder erst im Juni auftreten kann, haben wir auch diese Monate in die Untersuchung aufgenommen.

Und so sieht die Verteilung aller 2.713 ausgewerteten letzten Frosttage an den 46 Messstationen aus: Spitzenreiter ist der 5. Mai. Aber auch um den 22. Mai herum gab es nochmal eine Ballung. Nach dem 7. Juni war es dann zwar meist vorbei mit frostigen Werten, aber selbst Ende Juni traten noch vereinzelt Tiefsttemperaturen unter dem Gefrierpunkt auf, zum Beispiel am 30. Juni 2013 in Halle-Kröllwitz mit minus 0,9 Grad.

Kommt der letzte Frost durch den Klimawandel früher im Jahr?

Aus der letzten Grafik lässt sich noch keine sinnvolle Aussage ableiten, wie das denn nun ist heutzutage mit den Eisheiligen in Mitteldeutschland. Aber, wie schon geschrieben, haben wir den Datensatz ja in drei Zeiträume aufgeteilt. Und wenn man dann noch aus den einzelnen Tageswerten einen gleitenden Sieben-Tage-Schnitt errechnet, wird alles deutlich anschaulicher. Klicken Sie dazu in der folgenden Grafik auf den Button des Zeitraumes, der angezeigt werden soll.

Man sieht klare Unterschiede zwischen den Zeiträumen: Bis zum Jahr 1970 musste man in Mitteldeutschland oft bis Ende Mai warten, wenn man dem Frost aus dem Wege gehen wollte. Von 1971 bis 1998 war zu den Eisheiligen schon viel öfter das Schlimmste vorbei, aber nicht allzu selten gab es auch bis Anfang Juni Frost. Seit 1999 dann sind die Frosttage Ende Mai oder Anfang Juni viel seltener geworden. Aber andererseits waren die Eisheiligen in den vergangenen 25 Jahren auch noch nicht der Termin, nach dem alles vorüber ist. Erst nach dem 22. Mai war man auf der statistisch halbwegs sicheren Seite.

Eisheilige: Wenn man die Kalenderreform von 1582 bedenkt, funktioniert die Bauernregel

Die Eisheiligen-Bauernregel stammt aus dem Mittelalter. Spätestens um 1450 herum war sie bekannt. Damals gab es noch den julianischen Kalender. Erst im Oktober 1582 wurde auf den gregorianischen Kalender umgestellt, indem zehn Tage (5. bis 14. Oktober) einfach ausgelassen wurden. Am Datum der Namens- oder Gedenktage für die katholischen "Eisheiligen" Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophia hat sich dabei nichts geändert. Aber die astronomisch-jahreszeitliche Phase, die 1582 noch zwischen dem 11. und 15. Mai lag, liegt seither zwischen dem 21. und 25. Mai.

Was geschieht also mit der Bauernregel, wenn man sie nicht auf den 11. bis 15. Mai bezieht, sondern auf den Zeitraum zehn Tage später? Sie funktioniert dann in Mitteldeutschland tatsächlich sehr gut. In allen untersuchten Zeiträumen sank die Gefahr, dass der letzte Frost noch später kommt, innerhalb dieser zehn Tage noch einmal beträchtlich.

Selbst in der klimawandelbeeinflussten "Neuzeit" seit 1999 kam der letzte Frost in Mitteldeutschland immerhin in mehr als einem Drittel der Fälle erst nach dem 15. Mai. Nach dem 25. Mai aber sinkt diese Quote von 34,2 auf 9,8 Prozent. Wenn man auf der statistisch recht sicheren Seite sein will, könnte man also vielleicht eine bislang noch unbekannte Bauern- oder Gärtnerregel etablieren: "Tomaten im Garten: Bis Ende Mai warten". Denn je weiter der Mai fortschreitet, umso unwahrscheinlicher wird Frost. Ganz ausgeschlossen ist er aber nie.

Und da besteht eben diese Zwickmühle, in der sich schon die Bauern im Mittelalter befanden: Spätes Aussäen oder Pflanzen bedeutet zwar sichere, aber vergleichsweise geringe Erträge. Ist man früher dran, winken deutlich höhere Erträge – aber die Gefahr, dass der Frost zuschlägt und alles vernichtet, ist größer.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 2 | 07. Mai 2025 | 14:00 Uhr

6 Kommentare

MDR-Team vor 3 Tagen

Hallo part,
ihre Beobachtungen zu Zeigerpflanzen und historischen Wetteraufzeichnungen sind spannend – tatsächlich zeigen viele alte Quellen, dass Spätfröste auch früher gefürchtet und gut dokumentiert waren. Bauernregeln wie die der Eisheiligen fassen diese Erfahrungswerte zusammen, bleiben aber – wie Sie richtig sagen – nur begrenzt zuverlässig.
Die Aussage, wir befänden uns "immer noch am Rand einer kleinen Eiszeit", lässt sich aus heutiger wissenschaftlicher Sicht jedoch nicht halten. Der Begriff "kleine Eiszeit" bezieht sich auf eine kühlere Phase etwa zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert, die vor allem in Europa spürbar war. Seitdem steigen die globalen Temperaturen kontinuierlich – insbesondere seit der Industrialisierung. Auch die Zahl der frostfreien Tage nimmt in vielen Regionen zu, ebenso wie Extremwetter durch die globale Erwärmung.
Freundliche Grüße vom MDR WISSEN-Team

part vor 4 Tagen

Dabei gibt es sogenannte Zeigerpflanzen, wie Maulbeerbäume, die angeblich ausschlagen, Blüten und Blätter ansetzen, wenn kein Nachtfrost mehr droht. Doch dann kommen die berühmten Ausnahmen, wenn der Frost eben nicht 5 cm über den Erdboden sich ausbreitet, sondern auch in einer Höhe von über 10 Metern und auch Walnussbäume schädigt und junge Früchte von Pfirsichbäumen abfallen lässt. Wetteregeln sind eben nur zu 80 % verlässlich und mit unvorhergesehenen Ereignissen darf immer gerechnet werden. Alte Aufzeichnungen aus Kirchenbüchern und anderen Quellen belegen das, lange vor dem Auftauchen von Wetterstationen. So gesehen haben wir einen recht kurzen Sommer in Mitteleuropa, von Mitte Juni bis vielleicht Ende September. Also immer noch am Rand einer kleinen Eiszeit.

MDR-Team vor 4 Tagen

Hallo W.Merseburger,
vielen Dank für deinen Beitrag. Tatsächlich beruhen viele Bauernregeln wie die Eisheiligen, der Siebenschläfer oder die Schafskälte auf sorgfältiger Wetterbeobachtung über Jahrhunderte – sie sind keine exakten Prognosen, aber oft statistisch nachvollziehbar. Auch wenn der Klimawandel heute vieles verändert, zeigen die Analysen, dass einige dieser Wetterregeln nach wie vor einen realen Kern haben. Umso mehr freut uns dein Lob zur Datentiefe im Artikel – danke dafür.
Viele Grüße vom MDR WISSEN-Team

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